Eidg. Volksabstimmung vom 13. Februar 2022

Verlage wollen Steuerzahler zur Kasse bitten

Von einem Ja zum Medienpaket würden Tamedia, Ringier und CH-Media mit über 50 Millionen Franken pro Jahr profitieren

von Jimmy Sauter, K-Tipp

(20. Januar 2022) Mehr Meinungsfreiheit und -vielfalt: Damit werben die Zeitungsverleger für ein Ja zum Medienpaket. Dabei liefern sie immer mehr Einheitsbrei. Die drei grössten Verlage kauften in den letzten Jahren zahlreiche Zeitungen auf und legten Redaktionen zusammen.

Am 13. Februar entscheidet die Stimmbevölkerung über höhere Subventionen für private Medien – das sogenannte «Medienpaket». Laut dem neuen Gesetz würden Zeitungen, Radio- und TV-Sender sowie Internetportale jährlich 287 Millionen Franken erhalten – 151 Millionen mehr als heute. Das Ganze mindestens für sieben Jahre. Insgesamt würden in dieser Zeit also 2 Milliarden an die Privatverlage fliessen. Geld, das die Bürger über Steuern und Serafe-Gebühren [Erhebungsstelle für die Radio- und Fernsehabgabe] bezahlen.

Mit 120 der total 287 Millionen Franken würde die Zustellung von Zeitungen durch die Post verbilligt. Heute zahlt der Bund der Post für die indirekte Presseförderung 50 Millionen. Wie die zusätzlichen Gelder genau verteilt werden, gibt der Bund noch nicht bekannt.

Berechnungen des K-Tipp mit Zahlen des Bundesamts für Kommunikation zeigen: Mit 17,3 Millionen würde pro Jahr der Grossverlag Tamedia vom Gesetz profitieren, der zurzeit 22 Zeitungen und Zeitschriften herausgibt. Allein die Porti für den «Tages-Anzeiger» würden mit 2,7 Millionen subventioniert. CH-Media, die Nummer zwei der Verlagshäuser, könnte jährlich von Portoverbilligungen von 11,8 Millionen profitieren. Für seine TV-Sender Tele-Bärn, Tele M1, Tele 1 und TVO gäbe es neu 18,8 Millionen – 4,8 Millionen mehr als heute. Ringier erhielte Portoreduktionen in der Höhe von 3,4 Millionen, die NZZ von 2,5 Millionen. Ringier-Chef Marc Walder schätzte in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung», dass an Ringier über alle Kanäle etwa 5 bis 8 Millionen Franken flössen.

Verlage schreiben Gewinne

Nötig hätten die drei grossen Verlagshäuser die Subventionen nicht. Von 2011 bis 2020 erzielten sie Betriebsgewinne von total 3,3 Milliarden vor Steuern und Abschreibungen (K-Tipp 13/2021). Die Geschäfte der Tamedia-Gruppe, die neu TX Group heisst, laufen sogar so gut, dass die Leitung im Dezember bekannt gab, den Aktionären für die Geschäftsjahre 2021, 2022 und 2023 zusätzlich zur normalen Dividende eine Sonderdividende von je 44,5 Millionen Franken auszuzahlen. Auch die kleineren Verlage erzielten in den letzten zehn Jahren fast durchwegs Gewinne.

Drei dominante Grossverlage

Die grossen Verlagshäuser wurden in den vergangenen Jahren immer mächtiger. Sie kauften zahlreiche Zeitungen auf, legten Redaktionen zusammen und strichen Stellen. Tamedia besitzt heute 15 Tageszeitungen. Dazu zählen die «Basler Zeitung», der «Bund», die «Berner Zeitung», der Winterthurer «Landbote», das «Thuner Tagblatt» und diverse Westschweizer Zeitungen (siehe Tabelle unten). Vor zwanzig Jahren besass Tamedia erst den «Tages- Anzeiger» und Minderheitsbeteiligungen an der «Luzerner Zeitung» und der «Berner Zeitung».

CH-Media – die Fusion der NZZ-Regionalzeitungen und der Aargauer AZ-Medien – vereinigt sogar 21 Tageszeitungen unter einem Dach. Im Jahr 2001 besass die NZZ erst vier Tageszeitungen, die AZ-Medien drei. Die AZ-Medien kauften in den letzten Jahren die «Basellandschaftliche Zeitung», die «Solothurner Zeitung» und das «Oltner Tagblatt». Die NZZ erwarb die «Luzerner Zeitung», die «Thurgauer Zeitung» und die «Wiler Zeitung».

Gemäss Studien der Uni Zürich kommen Tamedia, CH-Media und Ringier im Pressemarkt auf einen Marktanteil von 80 Prozent.

Zahlen des Jahrbuchs Qualität der Medien 2021 der Uni Zürich zeigen: Jeder vierte Artikel erscheint heute in mehr als einer Zeitung. Beispiel: Am 22. November 2021 erschien in zehn Tamedia-Zeitungen ein identisches Interview mit Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, zum Thema Corona.

Auch der K-Tipp würde von einem Ja profitieren

Ein Ja zum Medienpaket würde die Postzustellung des K-Tipp pro Exemplar um 8 Rappen vergünstigen, pro Jahr um Fr. 1.60. Der Verlag Konsumenteninfo, der den K-Tipp herausgibt, würde für alle deutsch- und französischsprachigen Zeitschriften zusätzlich rund 600 000 Franken Portosubventionen pro Jahr erhalten. Er lehnt das Gesetz trotzdem ab: Für die Kosten der Zeitungen sollen nicht die Steuerzahler aufkommen müssen. Zudem sieht er die Unabhängigkeit der Medien durch staatliche Subventionen tendenziell gefährdet. (res)

Quelle: K-Tipp Nr.1, 12. Januar 2022

Einheitsbrei statt Vielfalt

Die früheren Professoren für Medienforschung der Uni Zürich, Heinz Bonfadelli und Werner A. Meier, bilanzierten in einer Analyse vom April 2021: «Die Leser erhalten in fast allen Zeitungen die gleichen Nachrichten über nationale oder internationale Politik.» Fazit: Statt die Vielfalt zu stärken, wird der Einheitsbrei gefördert.

Wie es um die Meinungsvielfalt bestellt ist, zeigte beispielhaft eine Äusserung von Ringier-Chef Marc Walder, die der «Nebelspalter» kürzlich publik machte. An einem Anlass der schweizerischen Management-Gesellschaft wurde Walder gefragt: «Wo sehen Sie die Aufgabe der Medien in der Pandemie?» Antwort: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung.» Das hat sich auch finanziell gelohnt: Der Bund zahlte während der Pandemie 98 Millionen an die privaten Medienhäuser. Die SRG erhielt zusätzlich 100 Millionen Franken an Serafe-Geldern.

Quelle: K-Tipp Nr.1, 12. Januar 2022
(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)

«Nicht Fakten sind entscheidend …»

von Jimmy Sauter und Marc Meschenmoser

Ein Strategiepapier des Verbandes Schweizer Medien zeigt, wie die Stimmbürger von einem «Ja» zum Medienpaket überzeugt werden sollen.

Rund 200 Verleger, Politiker sowie Journalistenorganisationen sind Teil des Komitees «Die Meinungsfreiheit», das für ein Ja zum Medienpaket am 13. Februar wirbt. Ihr Plakatsujet zeigt die Fabelfigur Wilhelm Tell, die mit einer Zeitung eine Mauer mit dem Schriftzug «Fake News» zum Einstürzen bringt: «Wer Fakten statt Fake News will, sagt Ja zum Medienpaket.»

Doch ausgerechnet die selbsternannten Kämpfer gegen Fake News wollen sich im Abstimmungskampf nicht so ganz an die Fakten halten. Das zeigte ein internes Dokument der Werbeagenturen Farner und Rod, welche die Kampagne im Auftrag des Verbandes Schweizer Medien geplant hat.

Das Branchenportal «Klein Report» thematisierte das Papier. Darin steht: «In politischen Debatten sind nicht Fakten, sondern der gedankliche und emotionale Deutungsrahmen entscheidend.» Die Kampagne will deshalb nicht über Subventionen an die Verlage reden, sondern «eine Grundsatzdebatte über Medien entfachen und nur begrenzt auf die Argumente der Gegner des Medienpakets eingehen». Diese betonen, dass die grossen Verlage hochprofitabel sind. «Viel wichtiger als punktgenau zu kontern, ist die kontinuierliche Wiederholung unserer Kernbotschaften», heisst es im Konzeptpapier der Werber.

Dafür sind «orchestrierte Interviews» eingeplant. Die Befürworter wollen zudem Umfragen für 100 000 Franken in Auftrag geben, die aufzeigen sollen, dass die Unterstützung für das Referendum kleiner wird. Bis zum Abstimmungstag sollen ein «dringender Aufruf» von Kultur und Breitensport, «offene Briefe von Verlegern von Lokalmedien» sowie «Leserbriefe, Meinungsbeiträge, Testimonials und Videostatements» erscheinen.

Die Kampagne will eine «dominante Präsenz» mit Anzeigen und Internet-Werbemitteln erreichen und soll «in der politischen Mitte abgestützt werden». Zudem soll «eine Organisation aufgebaut oder alimentiert werden, die glaubwürdig am linken Rand politisiert».

Mobilisierung der Städter

Das Problem der schwindenden Medienvielfalt betrifft vor allem ländliche Regionen. Die Kampagne will aber in erster Linie die städtische Bevölkerung zum Abstimmen bewegen: «Mobilisiert werden müssen die Städte und die bevölkerungsreichen Kantone und Agglomerationen», steht im Papier.

Stefan Wabel, Geschäftsführer des Verlegerverbandes Schweizer Medien, sagt zum K-Tipp: «Wir arbeiten sehr wohl mit Fakten. Das Papier stammt aus einer frühen Konzeptphase der Agenturen, entspricht aber nicht der Realität. Wir platzieren keine orchestrierten Interviews in Zeitungen.» Medienarbeit werde im Rahmen eines üblichen Abstimmungskampfes betrieben. «Die Redaktionen arbeiten komplett unabhängig.»

Quelle: K-Tipp Nr.1, 12. Januar 2022
(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)

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